Alumni Stories – Berthe Jentzsch
Shownotes
Start bei Mashup, Gründergeist und Selbstbewusstsein durch Learning by Doing
Von der Selbstständigkeit zurück in die Festanstellung
Einblicke in AWO-Einrichtungen und unvergessliche Erfahrungen
PR-Alltag im Berliner Abgeordnetenhaus
Tempolimit, Oppositionsarbeit und Humor in der Politik
TikTok für politische Kommunikation: Herausforderungen und Chancen.
Algorithmen und Kanäle verstehen, Zielgruppe ansprechen, Themen platzieren.
Aufruf zur Europawahl am 09. Juni 2024
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Nora Feist: In den vielen Jahren, die es Mashup Communications mittlerweile gibt, haben uns zahlreiche spannende Menschen auf unserem Weg begleitet und unsere Agentur mitgeprägt. Doch wie ergeht es unseren ehemaligen Mitarbeitenden eigentlich? Wohin hat es sie nach Mashup verschlagen und arbeiten sie noch immer im Bereich PR- und Brand Storytelling oder meistern sie ganz andere Disziplinen? Unsere heutige Alumni Berthe hat 2015 ein Traineeship bei uns absolviert. Welcher Spirit sie damals bei Mashup inspiriert hat, welche Geschichten sie als rasende Reporterin auf Rügen erzählen durfte und wie ihr jetziger Arbeitstag als stellvertretende Pressesprecherin bei den Grünen aussieht, erfahrt ihr in der heutigen Folge.
Nora Feist: Herzlich Willkommen liebe Berthe.
Berthe Jentzsch: Hallo Nora, ich freue mich, da zu sein nach so langer Zeit in dieser illustren Runde.
Nora Feist: Ich freue mich auch total. Ich glaube, wir haben uns auch seitdem nicht mehr gesprochen. Also insofern war das auch interessant für mich, hier schon mal mit dir ein Vorgespräch zu führen und jetzt eben auch mit dir hier in dem Podcast zu sein. Genau, erstmal vielleicht zunächst die typische Einstiegsfrage. Wie bist du eigentlich zu Mashup gekommen und was hast du vielleicht auch aus dieser Zeit mitgenommen?
Berthe Jentzsch: Gute Frage, weil ich habe da auch gerade noch dran gedacht, das war total ungewöhnlich. Und zwar, ich bin zu Mashup gekommen, weil ich an meiner Uni, wo ich den Master gemacht habe, das war die FU Berlin, einen Vortrag von Julia gehört hatte. Das war im Rahmen irgendeiner Jobmesse, irgendwie Menschen mit Medien, die noch nicht wissen, wohin mit sich. Und da war ich definitiv eine davon. Konnten sich so verschiedene Arbeitgeber vorstellen und da hat Julia einen Vortrag gehalten. Und ich war interessanterweise einen der Wenigen, die danach zu ihr gerannt ist und gesagt hat, gib mir deine Adresse, ich möchte diese PR-Agentur kennenlernen. Genau, dann habe ich euch einfach gegoogelt und bin ich gleich auf die Teamseite gekommen, habe die Gesichter gesehen und dachte, ja, das könnte passen. Und so war es dann auch.
Nora Feist: Super! Weil Julia macht das, ich hab's auch, glaube ich, ein, zwei Mal gemacht und Julia macht das tatsächlich auch immer noch regelmäßig. Also die fragen uns tatsächlich bei der FU noch an. Und genau, wir sehen es nämlich auch als Recruiting-Kanal, definitiv, aber natürlich auch Aufklärung. Und das wusste ich gar nicht oder das habe ich vergessen, dass du darüber sozusagen auf uns aufmerksam wurdest. Sehr spannend.
Berthe Jentzsch: Ist auch irgendjemand nach mir dann über Julias Vortrag gekommen oder war ich der Einzelgefangene?
Nora Feist: Haha, lustig. Ich kann das dir gar nicht so genau sagen. Also da könnte ich dir jetzt keine valide Antwort geben. Es gibt auf jeden Fall verschiedene Wege, wie zum Beispiel, da sind wir zu jemandem gekommen, da habe ich eigentlich ein Interview für ihre Masterarbeit über Storytelling gegeben und dann später ist sie unsere Mitarbeiterin geworden, ist sie immer noch. Also genau, es gibt die verschiedensten Wege. Man muss ja auch gerade durch die Zielgruppe kommen manchmal und erstmal überhaupt darüber aufmerksam machen, was diesen Beruf so spannend macht.
Berthe Jentzsch: Hat geklappt.
Nora Feist: Ja. Und gibt es irgendwas, was du so aus der Zeit irgendwie besonders gut oder auch schlecht in Erinnerung hast und was du irgendwie so mitgenommen hast, aus deinem auch Traineeship vielleicht?
Berthe Jentzsch: Also was ich, glaube ich, besonders mitnehme, wenn ich daran zurückdenke und was mir jetzt auch, ich sage mal, in meinem Weg danach auch viel gebracht hat, ist dieser Gründergeist, den ich da mitgenommen habe. Also sowohl von euch jetzt als Agentur, als auch von den Kundinnen, die wir hatten. Also dieser Spirit einfach machen. Also man kommt aus der Uni, ist verkopft, kennt irgendwie Theorien hoch und runter und dann war ich bei euch und da war halt wirklich dieser Tatendrang, dieses Learning by Doing auch ganz groß geschrieben. Du weißt noch nicht, wie es funktioniert, dann mach es doch erstmal. Also auch wie wir als Trainees da ins kalte Wasser geschmissen wurden. Hat, glaube ich, ganz viel gebracht und auch das Selbstbewusstsein, mit dem die Gründerinnen ja auch zu uns kam irgendwie. Wenn ich mich erinnere, wie wir da in einem Kick-Off saßen und dann kamen dann zwei junge Männer rein und meinten, wir sieht das neue Google und so in der Größenordnung. Also so einfach so eine Selbstüberzeugtheit, so ein Bewusstsein auch und so ein ja einfach mal machen und das hat mich total angestarrt halt auch danach so. Dass man halt einfach teilweise wirklich zu viel denkt, ja auch so ein bisschen frech einfach ist. Ich glaube, das ist so die Zeit und auch dieses Out of the Box Denken. Wie können Sachen neu anfangen, wie können auch anders Sachen andenken, als es der normale Weg ist. Also ganz anders als dieses "haben wir schon immer so gemacht". Ich glaube, das ist so das Hauptargument, was ich so mitnehme von euch. Und es hat mir auch in meiner Selbstständigkeit danach, also ich war ja dann nach euch, das werde ich wahrscheinlich auch gleich erzählen, auch noch mal selbstständig für anderthalb Jahre. Und da hat mir das auch was gebracht, weil ich glaube, sonst hätte ich mich nicht direkt getraut, mich selbstständig zu machen. Und dann dachte ich, ja gut, wenn die anderen Gründerinnen in Berlin das können und da so reingehen, dann kann ich das vielleicht auch.
Nora Feist: Ja, das haben wir, glaube ich, auch immer ganz gut mitgegeben. Du bist ja nicht die Einzige, die auch in die Selbstständigkeit nach uns gegangen ist. Da gibt es ja noch mehrere Beispiele, die es auch erfolgreich durchgesetzt oder umgesetzt haben. Vielleicht genau, du kannst ja mal erzählen, was du dann in deiner Selbstständigkeit gemacht hast. Du meintest dann, glaube ich, auch mal zu mir rasende Reporterin auf Rügen warst du. Also genau, was hast du dann genau in der Selbstständigkeit da gemacht?
Berthe Jentzsch: Das ist mir irgendwie doch alles ziemlich... Es war nichts geplant, muss ich sagen. Also ich bin ja von euch vergangen ohne irgendwie eine genaue Idee, was das jetzt ist. Ich wusste nur, was ich jetzt nicht möchte. Und hatte auch so eine Phase von, ok was will ich, wo will ich hin, wer bin ich? Und bin dann eher zufällig in eine Selbstständigkeit gekommen. Weil ich Anfragen hatte von Menschen, die gehört haben, hey, du kannst schreiben, du hast doch in der Agentur gearbeitet, du bist gut mit Sprache, wir bräuchten da jemanden. Und dann hat sich das irgendwie rumgesprochen, dann kamen Freunde von Freunden und ich hab den Rügen-Job – das war mehr oder weniger ein Traumjob – dann auch bekommen über einen befreundeten Fotografen, der meinte, du, uns ist hier die Texterin oder Journalistin abgesprungen, hättest du Lust, einzuspringen? Sonst schick doch einfach mal ein paar Texte und wir gucken und dann hat das auch funktioniert. Und das war ein ziemlich cooler Job. Und zwar bin ich da drei Jahre in Folge für so zwei, drei Wochen im Jahr nach Rügen gefahren und bin dann als, ich hab uns jetzt rasende Reporterin genannt, mit dem Fotografen zusammen über die Insel gefahren und hab dann für die Tourismuszentrale Rügen Menschen interviewt zu verschiedenen Themen. Also im ersten Jahr war das Thema Kulinarik, dann war da zum Beispiel ein Bäcker oder eine Tortenmacherin, ein Viehhirte und ein Fischer. Ich habe die über ihr Leben interviewt und dann daraus eine Story gemacht. Das war eine sehr, sehr schöne Ausgabe. Ich liebe einfach so Menschen und Storys und dahinter gucken und Menschen kennenlernen. Nächstes Jahr war Musik, dann hatte ich Musiker und Festivalleiter und Orgelbauer. Also es war für mich ein ganz, ganz toller Job. Das habe ich dann anderthalb Jahre gemacht, nebenbei noch viele andere, aber das war so der Auftrag, der mir so am meisten im Kopf geblieben ist auf jeden Fall.
Nora Feist: Ja, das klingt auch total spannend. Also ich finde es auch immer super, wenn man mit Menschen spricht und dann deren Geschichten dann rauskitzeln kann und die dann auch erzählen kann.
Berthe Jentzsch: Ja, auch ganz verschiedene Realitäten. Ich hätte sonst nie mit einem Orgelbauer gesprochen oder auch gar nicht damit zutun gehabt. Das sind einfach so schöne Leben. Oder auch so Details, in die man dann einen Blick hat. Ja, ich liebe so was. Einfach in andere Leben eintauchen für eine Zeit.
Nora Feist: Und dann bist du aber wieder zurück, in Anführungsstrichen, ins Angestellten-Dasein. Was hast du dann gemacht?
Berthe Jentzsch: Genau. Ich hatte irgendwann auch mitbekommen, als Selbstständigkeit ist toll, liegt mir auch sehr diese Freiheit. Ich bin aber auch sehr, sehr viel gereist in der Zeit und habe aber irgendwann auch gemerkt, ja, es ist halt schön. Aber genau was die Sicherheit angeht, also Rentenversicherung war halt fast nicht existent. Also ich war zwar in der Künstler-Sozialkasse, aber die Einnahmen waren jetzt auch gering. Also ich konnte davon leben, aber ich sage mir jetzt viel mehr dann auch nicht. Oder auch Krankenversicherung oder wenn man länger krank war. Also ich habe da in mir schon gemerkt, okay, es ist zwar toll, aber langfristig fühle ich da doch schon mehr Sicherheit. Und habe mich dann auf Jobs beworben, die so halbtags waren. Ich dachte, das ist für mich eigentlich auch so ein guter Ausgleich, dass ich 20 Stunden die Woche arbeite und nebenbei noch meine Freiberuflichkeit mache. Und ich bin dann bei der AWO genommen worden, als erst mal Mitarbeiterin in der Pressestelle, auch relativ schnell. Und habe dann eigentlich den Plan gehabt, gut, ich mache das zweigleisig. Also ich bin da meine 20 Stunden und mache dann die Selbstständigkeit nebenher. Und die haben mir aber dann auch bald eröffnet, dass mein Chef, also der Pressesprecher, in Elternzeit geht. Und dann kam Corona und dann war Selbstständigkeit und Reisen und Tourismus sowieso schwierig.
Nora Feist: Harte Zeit für den Tourismus, ja.
Berthe Jentzsch: Genau. Also Tourismus war dann nicht so groß angesagt, wie wir uns alle erinnern. Da war nicht mehr so viel mit Reisen. Dann war das für mich echt ein Glück, dass ich dann die Anstellung hatte und die haben auch gleich gesagt, ja, könntest du vielleicht doch Vollzeit machen, weil wir brauchen dich schon. Und dann habe ich halt meinen Chef, also den Pressesprecher vertreten und dann bin ich da erst mal auf 30 Stunden oder so gegangen. Oder so war das mit der Selbstständigkeit. Also ich mache die an sich immer noch, aber ich sage mal in sehr, sehr, sehr geringen Umfang.
Nora Feist: Und was sind dann so bei der AWO die Aufgaben von einer Pressesprecherin?
Berthe Jentzsch: Also da war ich es noch nicht offiziell. Es ging auch ein langer Weg, bis ich mich sozusagen hochgearbeitet habe zur Pressesprecherin oder stellvertretende Pressesprecherin war es dann. Interessanterweise auch ein bisschen anders als das, was ich jetzt bei den Grünen mache. Da war es vor allem Pressemitteilung schreiben, ganz klassisch. Also gucken, dass man in die Medien kommt, aber auch als Sozialverband, Wohlfahrtsverband wirst du auch angefragt. Also wenn irgendwie Themen sind wie, keine Ahnung, Kita-Streik oder es gibt einen Vorfall in irgendeiner Geflüchtetenunterkunft, wirst du auch angefragt. Und da halt entweder den Geschäftsführer zu beraten oder auf Red und Antwort zu stehen. Und sonst habe ich auch die Webseite betreut, die Social-Media-Kanäle. Also damals wirklich alles gemacht. Wir waren auch nur zu zweit. Ja, und vor allen Dingen Twitter habe ich dann irgendwann relativ viel gemacht. Das hat mir auch sehr viel Spaß gemacht. Das war so ein bisschen mein soziales Medium, was ich so auch für mich gefunden hatte. Genau, ich glaube Instagram hatten wir nicht, aber dieses ominöse Facebook gab es damals noch. Dann gab es auch viele Artikel, Veranstaltungen organisiert. Also ich sage mal eigentlich alles.
Nora Feist: Wenn ihr nur zu zweit wart, Wahnsinn. Genau. Sehr ganz oft so in der Pressesteller. Dass man ganz viel eigentlich alles macht. Was ja irgendwie auch wieder gut ist, weil dann ist es so viel abwechslungsreich, aber ich glaube manchmal ist so ein bisschen das Dilemma, dass man eigentlich viel mehr oder coolere Sachen machen könnte, aber die Zeit reicht ja gar nicht aus dafür.
Berthe Jentzsch: Ja, das war auch, also wir haben immer gesagt, klar, wir können alles machen, aber wir müssen gucken auf die Kapazitäten. Also es waren viele Ideen da, am Ende war es immer die Frage, was kann man machen.
Nora Feist: Aber gibt es ja irgendwie auch so ein, du hast gerade gesagt, du hast dann Twitter voll gerne gemacht, aber auch so ein Lieblingsprojekt oder irgendwas, wo du auch jetzt noch so stolz drauf bist, so im Nachhinein, was besonders gut funktioniert hat oder so?
Berthe Jentzsch: Also ich fand es spannend, auch wieder eben wie bei den Berichten über die verschiedenen Leute auf Rügen, so in diese Einrichtungen reinzugucken. Also die AWO ist ja eine der größten Arbeitgeber auch in Deutschland. Also in Berlin auf jeden Fall, viele Arbeitgeber, vor allem im Kita-Bereich, in der Suchthilfe, Obdachlose, Geflüchteten, Unterkünfte, Beratungsstellen, Migrationsberatungsstellen, Seniorenanrichtungen und so weiter und so fort. Und da überall mal reinzuschnuppern. Ich bin da hin und habe geguckt, was macht ihr eigentlich vor Ort, was sind eure Probleme, dann auch darüber berichtet. Dann habe ich einmal, das ist mir auch sehr in Erinnerung geblieben, eine Schicht in der Notunterkunft für obdachlose Frauen gemacht und dann die Essensausgabe mitgemacht. Und ja, das sind halt Erlebnisse, das vergisst du einfach nicht. Also das vergess ich einfach nicht, die Eindrücke.
Nora Feist: Wir haben interessanterweise letztes Jahr haben wir für die AWO in Bielefeld, für das Employer Branding sozusagen, Story Listening Sessions gemacht. Und da sind wir nämlich auch vor Ort in, ich weiß nicht, wie viele Einrichtungen gefahren und haben da eben mit einer, wir haben vorher die Auswahl getroffen mit den Leiterinnen, quasi mit den Leuten da gesprochen, also haben vorher uns schon Werte überlegt, die ihnen wichtig sind und haben entsprechende Fragen dann eben in Bezug auf diese Werte gestellt, dann später eben so ein Claim und so ein Werteverständnis und sowas dann herauszuarbeiten eben für die Recruiting- oder die Karriereseiten. Und das war auch so berührend. Also ich habe das ja auch schon vorher in anderen Firmen auch gemacht. Und es ist immer wieder toll, wenn du merkst plötzlich, wie Leute dann ihren Beruf nochmal richtig wertschätzen, weil jemand mal mit ihnen darüber spricht oder auch ihre Kolleginnen plötzlich ihnen Lob geben. Also da kamen auch wirklich teilweise Tränen der Rührung, aber auch, weil sie es einfach plötzlich dann so gemerkt haben, wie wichtig sie eigentlich sind. Das war auch so eine Sache, die ich nie vergessen werde, weil es total toll war, mit den Menschen, mit den Pflegern vor allem, zu sprechen. Aber auch Köchinnen und alle was in Seniorenheimen da arbeitet, mit denen sich auszutauschen und dann deren Geschichten sozusagen zu nehmen, exemplarisch quasi für die Werte für die die Häuser stehen.
Berthe Jentzsch: Also ich finde auch, Hut ab vor sozialen Berufen. Also man sagt zwar immer, Manager bekommen so viel Geld wegen ihrer Verantwortung. Wo ich denke, na gut, wie viel Verantwortung hat bitte eine Kindergärtnerin, die auf 30 Kinder aufpasst? Also das Wertvollste, was sozusagen die Menschen haben. Da müsste die ja genauso viel verdienen, theoretisch. Weil das ist ja die größte Verantwortung, die du haben kannst. Oder Krankenschwestern oder PflegerInnen im Krankenhaus und die dafür sorgen, die für die Menschen vor Ort da sind. Also ich meine, wie wichtig ist dieser Beruf?
Nora Feist: Das ist ein Dilemma. Du weißt es ja, in Corona-Zeiten, wo geklatscht wurde und mehr ist auch nicht passiert. Das ist tatsächlich ein großes Problem. Und da ist es aber auch so krass gewesen, weil die Leute, die haben trotzdem noch die extra Meile mehr gemacht. Also gerade wenn es auch Sterbehilfe ging und sowas. Also weil die so eine Leidenschaft hatten dafür, dass sie quasi das, was sie dann auch wieder zurückbekommen haben von den Menschen dort, irgendwie das sie auch getragen hat, auch wenn der Job hart war. Aber das war, man hat trotzdem immer gespürt, wie sehr die diesen Job eigentlich auch lieben.
Berthe Jentzsch: Ja, vielleicht auch Demut. Vielleicht hast du das auch mitgekommen. Ich meine, in der Presse ist immer alles ganz friedlich und ganz toll und ganz schnell. Manchmal einfach so, okay, kurz durchatmen, zurücknehmen. Es ist so viel wichtig und manchmal ist nicht unbedingt die Pressemeldung. Das soll ich halt nicht sagen in meiner Stelle, aber ...
Nora Feist: Genau, du hast ja vorhin schon gesagt, die Arbeit dort als Pressesprecherin ist schon nochmal was anderes als jetzt praktisch, wo du jetzt bist, also bei den Grünen. Vielleicht erzähl doch mal, wie bist du da hingekommen und was ist jetzt eigentlich dein Job? Was machst du jetzt?
Berthe Jentzsch: Es ging danach auch weiter. Also ich war dann drei Jahre bei der AWO und hatte dann auch immer das Gefühl, okay, toller Job, aber ich bin, sage ich mal, jetzt auch am Ende der Möglichkeiten, die ich da habe und habe auch Bock auf was anderes. Und ja, ich bin eigentlich schon immer politikinteressiert gewesen, also habe das auch nebenbei immer studiert und bin auch so ein kleiner Nachrichten-Junkie. Und hab mich dann bei den Grünen beworben, erst mal in Kreuzberg, weil das mein Bezirk ist, also da wohne ich und da bin ich sozusagen verwurzelt und bin dann aber auch relativ schnell auch ins Abgeordnetenhaus gewechselt, also sozusagen eine Stufe drüber für die Fraktion in Berlin, also im Abgeordnetenhaus. Und genau da bin ich jetzt seit neun Monaten. Und was da anders ist als bei der AWO zum Beispiel, das ist eine, das in der Politik ist. Also wir sind in der Fraktion 34 FraktionärInnen, also genau gewählte Abgeordnete, die ja alle mehr oder weniger in der Presse sein wollen. Also wenn jetzt Anfragen kommen, bin ich sozusagen die aller allerletze, die da irgendwie was zu sagen hat oder vor der Kamera steht. Weil das zu Anfang meine Angst war. Weil die Menschen, die interessieren oder die vor der Kamera stehen oder die offiziell was sagen, sind ja die Abgeordneten. Das heißt, dass was ich eher mache ist, genau, die Presse durchgehen. Also wir haben morgens sowas, das nennt sich Morgenlage. Das ist, finde ich, ein bisschen das Herzstück.
Nora Feist: Also Monitoring sozusagen?
Berthe Jentzsch: Genau. Das ist per Telefon, da gibt es halt einen von uns aus der Pressestelle, checkt Frühs die Presselage und gibt dann so ein Briefing. Was ist wichtig, was sind aufkommende Themen, was hat wer gesagt, wo müssen wir kommentieren? Und dann geht es eigentlich schon darum, okay, welche Themen müssen wir besetzen, welche können wir besetzen und wo müssen wir uns äußern, wer äußert sich, was muss da gesagt werden? Und dann ist es eigentlich unsere Aufgabe, schon mal an die Abgeordneten heranzugehen und zu sagen, hey, weiß ich nicht, Sprecherin für soziale Themen, das wäre doch mal was. Was würdest du dazu sagen? Oder ist es dein Thema? Oder das kommt gerade raus, jetzt ganz aktuell mit dem traurigen Unfall auf der Taunzinstraße einfach. Mit diesem, ich weiß nicht, ob es jetzt ein Raser war, aber ... Zum Beispiel, dass man das erstmal sagt, okay, gibt es da Forderungen, dass wir sagen, wir wollen natürlich Verkehrssicherheit, muss das baulich verändert werden, was sind unsere Forderungen, wer ist dann dran und so weiter. Und dass wir dann entweder ein Statement vorschreiben oder mitberaten und das dann an die Presse geben.
Nora Feist: Aber ist es dann, also es hört sich ja jetzt so an, als würdest du ja gar nicht so viel Themen setzen, sondern eher Agenda-Surfing betreiben. Also du weißt eigentlich nie, was dein Tag bringt, weil du eigentlich nur auf Nachrichten reagierst und dann da irgendwie entsprechend Statements rausgibst, weil die Presse natürlich dann wissen will, wie stehen jetzt die Grünen dazu oder die Abgeordnete oder ihr wollt halt, dass die zu Wort kommen. Also es ist wirklich so ein tägliches Geschäft und du guckst halt morgens, was du eigentlich am Tag dann so machst oder wie?
Berthe Jentzsch: Zum großen Teil muss ich sagen, ja. Es ist so ein bisschen zwei- oder dreigleisich auch. Also was wir natürlich auch, oder was ja politische Arbeit ist, ist, dass wir Anträge ... Oder wir nicht, also die Abgeordneten, Anträge schreiben, wo sie bestimmte Sachen fordern oder nicht fordern. Wo sie sagen, okay wir sind für, wir wollen, überlegt dir ein Beispiel.
Nora Feist: Sagen wir mal Tempolimit, weil wir jetzt über den Unfall gesprochen haben.
Berthe Jentzsch: Tempolimit, Tempo 30, genau, wegen Verkehrsberuhigung und sagen, das wäre doch eine sinnvolle Lösung und bringen das halt ins Parlament ein. Und das ist halt eigentlich die politische Arbeit. Das ist klar, jetzt sind die Grünen in der Opposition, das ist nochmal anders. Das heißt, dass was wir in der Opposition tun können, ist eben durch Anträge Verwaltungshandlungen, Beauftragungen, das sagen lieber Senat, das wäre jetzt eure Aufgabe, macht das doch. Und dann geben wir Anreize sagen, okay, wir fordern das oder wir wollen, dass das Schulgesetz abgeändert wird. Oder wir möchten, dass endlich die Verfassungsrichter benannt werden und so weiter. Also das ist ja auch die Arbeit. Da ist es aber so, dass das in Ausschüssen passiert oder in der Plenarsitzung. Das ist das, was einmal alle zwei Wochen passiert. Das ist wie das Plenum, genau, die Sitzung, die Hauptsitzung und das ist öffentlich. Das heißt, da ist Presse vor Ort. Das heißt, da müssen wir gar nicht an die Presse gehen, weil da ist sozusagen die Öffentlichkeit schon da. Was wir dann noch machen, ist, wenn es danach Fragen gibt, also wir sitzen auch auf der Pressetribüne, da auch antworten oder koordinieren oder gucken, wenn es Fragen gibt oder irgendwas nicht verstanden wird, dass wir da nochmal eingreifen. Genau, oder was natürlich auch viel ist, dass wir auf Presseanfragen reagieren. Und das ist natürlich in der Politik nochmal eine ganz, ganz andere Schlagkraft als jetzt, ich denk mal, bei einem Unternehmen sowieso oder auch bei einem sozialen Verband. Also bei uns wird schon täglich angerufen, dass der Tagesspiel oder die Morgenpost oder die Berliner Zeitung sagt, wie stehen Sie zu? Sie haben doch gesagt, das ist dann unsere Aufgabe, das zu bearbeiten.
Nora Feist: Wahnsinn. Ich bin zum Beispiel Abonnentin vom Tagesspiegel und kriege diesen Tagesspiegel-Checkpoint, wo ich mich manchmal auch frage, was wissen die eigentlich alles? Und das ist ja im Prinzip auch, da gibt es irgendein Thema und dann manchmal sagen sie, wer was dazu gesagt hat oder ob es sich nicht geäußert hat oder sie. Also das ist im Prinzip das, was ihr dann auch bearbeitet, dass sie dann Antworten bekommen.
Berthe Jentzsch: Wir lieben den Checkpoint, natürlich.
Nora Feist: Ich finde das ja ganz amüsant. Ich finde ihn auch informativ, also weil ich finde das ist ganz gut, mal so ein bisschen hinter die Kulissen zu schauen. Weil ich habe das Gefühl, du kannst Nachrichten, also du kannst Artikel lesen in Zeitungen, die dich natürlich auch informieren. Aber da ist immer noch so was, was grade so noch Berlin angeht, ganz interessant, weil es eben auch viel auf lokaler Ebene ist.
Berthe Jentzsch: Das ist auch eine schöne Art, finde ich, des journalistischen Schreibens. Dieses kurze, anekdotenhafte, auch immer mit einer Art von Augenzwinkern dabei. Also da geht man morgens gut durch und hat nicht so das Gefühl, man liest nur irgendwie Nachrichten.
Nora Feist: Ja, man merkt sich Dinge ja auch besser mit Humor. Also da kann man auch nochmal ein bisschen, ja, oder wenn es Anekdoten sind, das kann man sich nochmal viel leichter merken, ja.
Berthe Jentzsch: Ja, ich finde Humor und Politik ist eh so eine Gratwanderung. Also ich denke mir auch manchmal, gerade bei den Grünen, müssen wir selbstironischer sein oder muss Politik teilweise selbstironischer sein, weil es sich eh schon so ernst nimmt. Andererseits denkt man halt, okay, man hat halt auch eine Verantwortung. Man ist halt auch, man möchte auch staatstragend sein, man möchte auch als Partei gesehen werden. Aber ich finde halt auch dieses Spiel in der Politik mit Humor, ich weiß nicht, wie ihr das seht, finde ich mal spannend auch von außen. Also inwieweit kann man als Politikerin humorvoll sein, ohne ins Lächerliche, ohne auch seinen Auftrag, den man ja hat, oder seine Arbeit, die man ja hat, man soll das Volk vertreten oder die Belange vertreten und dafür kämpfen. Dass man aber trotzdem verstanden wird und nicht an seinem Politikerinnen-Sprech drin ist, wo dann die Hälfte der Bürger denkt, warum geht's hier eigentlich?
Nora Feist: Ja, Fluch des Wissens.
Berthe Jentzsch: Ich bin schon im Thema drin, aber was ist das?
Nora Feist: Genau, also wir sagen ja, man muss immer gegen den Fluch des Wissens angehen. Dazu helfen natürlich auch Storytelling-Methoden. Aber, wenn ich so zum Beispiel denke an Reden von sagen wir mal Gregor Gysi, der ja auch quasi seine Themen bringt, aber immer noch mit so einem Humor, den merkst du dir halt. Also trägt halt anders, als wenn es nur um Fakten geht. Ich glaube, das ist ganz wichtig. Oder eben immer Sachen auch wirklich erklären, sodass es eben auch die gleiche Sprache ist. Also nur wenn Sender und Empfänger die gleiche Sprache sprechen, dann kommt die Botschaft auch an. Und ich glaube, da muss man ganz viel so Bullshit-Bingo rauslassen. Also wirklich Wörter rausstreichen und sich hinterfragen. Würde meine Oma das auch verstehen, wenn ich der das jetzt sage? Ja, also auch Sachen, die vielleicht geläufig sind in den Fraktionen, wo ganz selbstverständlich ist, was das bedeutet, man muss es nochmal irgendwie runterbrechen. Andererseits ist es auch schwierig, wenn manchmal Sachen irgendwie vereinfacht werden, die dann gar nicht den Punkt treffen. Wenn jetzt, weiß ich nicht, manchmal, wenn du jetzt an die Bildzeitung und denkst oder sowas, die das irgendwie so benennen und du hast es eigentlich gar nicht so benannt und dann wird es so ein Narrativ, was sich so weiter trägt und du denkst, ja das ist aber eigentlich gar nicht der Punkt der Sache.
Berthe Jentzsch: Ja, das ist auch eigentlich mit Fachbegriffen. Also bei uns, in meiner ersten Sitzung, dann wurde halt ganz unverständlich mit dem Begriff PMA sich geworfen. Wird immer noch.
Nora Feist: Ich weiß nicht, was es ist. Es hört sich an wie bei der Menstruation oder so, PMS.
Berthe Jentzsch: Ja, liegt nah dran. Oder auch, also es geht den Haushalt, das ist auch ein großes Thema, dass halt die Schulden, die Berlin hat oder das Geld, was es nicht ausgeben wurde, wieder aufgelöst wird. Das sind die Sparmaßnahmen, also die jetzt dran liegen. Oder auch überhaupt das Thema Haushalt. Manche denken an Abwaschen, manche denken, das ist gar nicht klar, das geht einfach das Geld, was Berlin hat und wie man es ausgibt. Und auch, glaube ich, dass Bürgerinnen auch gar nicht klar ist, wie viel Anrecht sie auch haben, an Politik teilzunehmen oder auch, dass das eine große Hürde ist. Also ich muss da auch an die bourdieu'sche Feldtheorie denken, dass man versucht, so in seiner Bubble zu bleiben und ja, auch in einem Politikersprech zu bleiben, um nur mit Gleichgesinnten sich austauchen zu können. Vielleicht ist das auch so ein Teil dabei und ich finde, da müssen wir auch rausbrechen. Also wenn du nicht so redest, dass alle Leute dich nicht verstehen, dann musst du eigentlich gar nichts sagen. Bin ich manchmal in der Uni schon der Meinung gewesen, wenn man sich nur so ausdrücken kann, dass man mit drei Leuten in einem Raum von Hunderten spricht, dann ...
Nora Feist: Naja, man will sein Expertentum halt mit Fachwissen untermauern. Bringt aber nichts, weil der andere dich nicht versteht. Ich glaube, dass halt tatsächlich Social Media ein gutes Vehikel ist, darüber eben auch Sachen zu transportieren. Also denk an das Meme von Olaf Scholz. Wir werden sonst nicht viel sehen von ihm, aber wir werden es nie vergessen, seine Piratenklappe. Also so ein bisschen solche Dinge quasi, dass man da auch nochmal irgendwie Humor transportieren kann. Und auch da zum Beispiel, und ich finde da zum Beispiel, dass Habeck das gut macht oder auch Baerbock oder so. Also dass sie quasi auch wirklich, also Habeck noch viel mehr finde ich, wirklich Sachen erklärt. Ich stehe hier gerade bei der so und so Firma und wir sind heute zusammengekommen weil wir ... Also der versucht Politik nahbar zu machen. Er macht sich damit auch angreifbar, aber er erklärt zumindest, er ist sichtbar. Du merkst es ja auch, was für Reden von ihm geteilt werden, wenn er irgendwo in einer Talkshow ist oder jetzt bei der OMR aufgetreten ist. Was von ihm geteilt wird und auch gefeiert wird, weil es verständlich ist. Weil Leute verstehen, was er sagt. Nur wenn du verstehst, was jemand sagt, kannst du dich dafür entscheiden, ihm zu folgen oder nicht. Wenn du aber jemandem zuhörst und gar nicht verstehst, was er sagt, dann berührt dich das nicht. Aber du kannst auch keine Entscheidung treffen.
Berthe Jentzsch: Ja, auch die Leute da abholen, wo sie sind einfach. Auch da hingehen und auch direkt mit wem spreche ich, mit wem möchte ich auch sprechen, will ich verstanden werden. Und du meinst auch Humor. Also wenn ich dran denke, okay, ich kann mir Olaf Scholz nicht wirklich witzig vorstellen und ich frage mich auch, ob ihm das guttun würde, in seiner Position als Kanzler. Also es ist irgendwie die... Also wie viel Witz verträgt diese Position?
Nora Feist: Ja, aber andererseits, denke man zurück an, selbst Frau Merkel konnte einen Witz machen. Weißt du, es muss natürlich zu dir selber passen. Also du kannst dich nicht verstellen, du musst authentisch sein. Aber ich meine, jeder hat vielleicht, weißt du, so ein bisschen trägt es in sich. Aber am wichtigsten ist Authentizität. Klar, wenn du nicht der humorvolle Typ bist, musst du es nicht runterbrechen. Aber es kann auch nicht schaden. Man sollte jetzt vielleicht nicht wie damals Schröder nur mit so Altherrenwitzen die Ecke kommen oder so was. Keine Ahnung, ich will ihm jetzt auch nicht zu nahe treten, aber es sind halt einfach so, es bleiben einfach Dinge mehr im Gedächtnis, wenn du... Es muss nicht immer nur Humor sein, aber wenn du es eben authentisch mit einer Sprache rüberbringst, die du selber sonst auch sagen würdest und wo halt auch dein Gegenüber dich versteht, darum geht es eigentlich. Das ist das große Problem, das ist ja nicht nur bei PolitikerInnen, sondern eben auch bei anderen ForscherInnen und ExpertInnen und so weiter, die dann ein wichtiges Thema rüberbringen wollen, aber keiner versteht es, dann kommst du da auch nicht weiter. Also insofern muss man, glaube ich, auch mutig sein. Also gerade wenn, jetzt haben wir ja gerade irgendwie den Europawahlkampf und das ist so austauschbar.
Berthe Jentzsch: Findest du?
Berthe Jentzsch: Ja. Das sind doch die typischen Plakate. Lass mal überlegen, was mir im Gedächtnis geblieben ist. Die Kampagne von Volt finde ich zum Beispiel ganz gut.
Berthe Jentzsch: Wo nur Schrift zu sehen ist?
Nora Feist: Und dann steht... die machen so einen guten Hook wie dieses "für mehr Eis". Und dann geht es Klimawandel. Aber du hast erstmal die Aufmerksamkeit, weil du erstmal denkst... Ja, also solche Kleinigkeiten. Es muss halt neugierig machen. Du musst darüber nachdenken wollen und dich damit auch beschäftigen. Es gibt Sachen, die logischerweise irgendwie erstrebenswert sind, wie Mieten runter, Löhne rauf, glaube ich, von den Linken. Ja, verstehe ich auch, aber es ist halt nicht so ein... Also selbst der Klimawandel, wenn du das jetzt quasi bei Volt runterbrichst, kannst du eben so auch irgendwie erzählen, wo Leute mal kurz stehen bleiben und denken so, hä, was? So unexpected nennt man das dann bei der SUCCESS-Formel gegen den Fluch des Wissens, weißt du? So eine Sache. Und da steckt ja ein gewisser Humor drin, aber trotzdem ist es eine Ernsthaftigkeit.
Berthe Jentzsch: So dieses catchen. Dass man einfach auch ein Bild nimmt, was man nicht erwartet und damit so ein Störgefühl ... Weil sonst pletschert es hin und man liest drüber und weg, wenn man da nicht so ein Haken hat.
Nora Feist: Genau, oder Strack-Zimmermann, die jetzt auch quasi "die Alte nervt", quasi ein Zitat genommen hat, was jemand über sie gesagt hat. Und das sozusagen als Aufhänger ihrer Kampagne genommen hat. So langweilig ist der Wahlkampf nicht, aber es gibt viele Sachen, wo du denkst so, ja.
Berthe Jentzsch: Aber hast du auch Beispiele aus der Landespolitik? Also gut, wir haben gerade keinen Landeswahlkampf.
Nora Feist: Na ja, ganz ehrlich, du siehst da ein Gesicht und dann ist da, weißt du ... Und also du kannst natürlich auch komplett furchtbarsten, quasi Populismus betreiben wie die AfD. Ja, also ich meine, das ist auch klar. Das ist jetzt keine gute Kampagne.
Berthe Jentzsch: Wir hatten heute auch die Diskussion, also mein Kommunikationsteam, wir waren auch der Republika. Und da haben wir uns auch viel, also gerade unsere Social Media-Frau – die total super ist an dieser Stelle gesagt – wir stellen grade ganze Frage, TikTok ja oder nein? Und jetzt ist es auch schon relativ konstant, dass man sagt, okay, reclaim TikTok. Wir dürfen gerade diese Plattform, die ja für junge Leute erreicht ist, nicht Rechten überlassen. Und dann gibt es aber auch immer wieder Stimmen. Also zum Beispiel bei einem Talk von Habeck meinte er, wir dürfen halt auch nicht die Mittel der Rechten übernehmen. Also gerade dieses, wer schreit am lautesten, wer ist am plakativsten. Also auch die Algorithmen, die ja auch belohnen, wenn man sehr provokant ist, wenn man eine Reaktion erfordert, ob das jetzt negativ oder positiv ist. Und ich habe das bei mir selber auch gemerkt, als ich meinen Twitter-Account hatte, den ich mit sehr viel Liebe gepflegt habe, dass ich irgendwann auch darin verfallen bin, dass ich gesagt habe, ich will Likes haben, also ich will Aufmerksamkeit haben. Und ich wusste auch, wenn ich was kurz, knapp und plakativ auch überspitzt schreibe, dann zieht das. Und dann habe ich das auch gemacht, obwohl ich wusste, dass es teilweise sehr überspitzt war. Aber einfach auch so ein bisschen diese Suchtaufmerksamkeit. Es ist ja auch wie ein Spiel am Ende. Das war mein privater Account, von daher. Also auch dieses Spiel, dass ich merke, das zieht ja, du kriegst eine Belohnung dafür, dass Leute darauf reagieren, dass es geliked wird, dass Kommentare kommen, die positiv waren. Ich hab irgendwann gedacht, nee Berthe, stopp. Das ist genau das Spiel, wo was grade nicht sein muss. Ich find, das ist die Frage, jezt auch bei Social Media, oder wenn wir sagen, wir gehen auf TikTok, wo's ja auch darum geht, dass man sehr witzig, sehr kurzweilig, sehr verknappt, sehr kurz Inhalte reinbringt. Aber wie macht man das, dass man gesehen wird, ohne zu schreien? Also ohne drüber zu sein, ohne drüber zu sein, ohne zu überspitzen? Also dieses trotzdem Intelligente. Man kann da auch teilweise von Rechten lernen, wie man Aufmerksamkeit bekommt, aber ich glaube, diese Falle dürfen wir nicht tappen.
Nora Feist: Nein, aber ich glaube tatsächlich, wenn man es macht, muss man es richtig machen. Also regelmäßig und so weiter. Und auch wirklich den Algorithmus trotzdem verstehen oder verstehen, wie die Zielgruppe tickt und warum sie sich Sachen angucken. Aber ich glaube, das ist ein guter Öffner, also überhaupt Themen schon mal zu droppen. Und da muss man das aber eigentlich wieder nehmen als Türöffner, um in den Dialog zu gehen oder eben auch auf die eigentliche Plattform, wo man mehr Informationen bieten kann, also eine Landingpage zu den Themen und so weiter dann zu führen. Also es sollte nicht der einzige Kanal sein, aber es ist auf jeden Fall da, um erst mal damit hinzukommen, mit den Themen, weil man sie sonst nicht erreichen würde. Und da muss man vielleicht auch erst mal plakativ mit bestimmten Trends gehen, was jetzt gerade so ist, und damit Aufmerksamkeit erreichen. Aber trotzdem, das eigentlich immer zu überlegen, okay, und wie können wir sie weiterführen? Wie sozusagen die, bei Recruiting nennt man es due Recruiting-Journey, oder dann bei Customer-Journey, aber wie wäre quasi eigentlich diese Wähler Journey, keine Ahnung, wie es jetzt sein würde. Also wie kann ich die weiter aktivieren, dass die nicht nur sich einmal das angucken oder sowas, sondern dass sie auch weiter dann auch Informationen fordern. So würde ich das sehen. Und es muss halt dann konsistent irgendwie mit den anderen Sachen sein. Also, dass man nicht nur Trends der Trends wegen macht, sondern sich überlegt, okay, das sind Themen, die wir jetzt quasi auch besetzen wollen. Und dann die Frage, okay, wie können wir sie jetzt umsetzen?
Berthe Jentzsch: Und ich finde auch nicht, dass es immer auf Trends aufspringt. Also klar, Trends ziehen auch. Aber ich muss an Scholz denken, der gesagt hat, wenn er auf TikTok geht, er würde nicht tanzen. Ich glaube, es ist erstmal gut, dass er das gesagt hat. Weil wenn ich jetzt auch an unsere Fraktion denke, wenn ich denke, wie viele Leute aus dieser Fraktion würden ich es zutrauen, dass sie authentisch sind oder dass es zu ihnen passt, in einem TikTok-Video zu tanzen oder was weiß ich, also einfach in dieses Format reinzupassen. Und das sind, muss ich sagen, glaub ich, erst mal nicht so viele. Und ich finde, da sind wir wieder bei der Frage mit Humor, Lächerlichkeit, Politik und Öffentlichkeit. Und dass ich gar nicht weiß, ob das so sinnvoll ist, da PolitikerInnen tanzen zu lassen, sondern eher, dass man so etwas wie so einen Creator-Journalismus hat, wo man einfach eine Person hat, die einen da durchführt und sagt, hier, ich bin euer Erklärbär, kommt mal mit, wir gehen mal als Abgeordnetenhaus und jetzt gucken wir mal, was machen die. Weil ich glaube, das ist viel, viel authentischer, als wenn ich jetzt...
Nora Feist: Und auch da kann ja Humor entstehen. Das kann ja auch durch Zufälle oder so was passieren. Also auf Krampf sowieso nicht. Es muss authentisch zu der Person passen, worauf die auch Bock hat, was die auch machen würde. Aber es muss halt trotzdem in den Formaten so funktionieren, dass es eben dem Kanal angepasst ist. Aber dass du so ein, ich führe dich rum, ich übernehme mal, der oder die Abgeordnete übernimmt jetzt den Kanal, oder solche Dinge, das kannst du ja alles machen. Aber es muss immer zu der Person passen. Weil das ist sonst merkwürdig, wenn die Person da auf dem Kanal so ist, und dann triffst du die in Wirklichkeit, das sind Stock... Die ich jetzt nicht glaube, weil man Abgeordnete ist. Aber weißt du, was ich meine? Also das ist eigentlich auch das Geheimnis. Es ist genauso wie, wenn ich mich irgendwo hinstelle und spreche und ich bin keine perfekte Sprecherin und ich werde es nie werden, aber ich mache es so, wie ich bin und dann funktioniert das. Und so ist es eben auch bei Social Media. Ich habe auch bei unseren eigenen Accounts, wir machen keinen TikTok, aber auch wenn es Instagram Reels geht, sage ich auch, ich bin jetzt nicht die Person, die jetzt hier tanzen muss und irgendwelche komischen Trends mit machen muss. Aber ich gebe natürlich auch irgendwie ein Statement ab oder mache bei irgendwelchen Sachen auch mit, wenn sie sagen, ja, kannst du das mal machen. Aber es muss halt immer so ein Maß sein.
Berthe Jentzsch: Ja, ich finde auch Glaubwürdigkeit ist halt auch ein hohes Gut. Also Authentizität, Glaubwürdigkeit, auch einfach real sein, das ist ja schon schwer.
Nora Feist: Ja, und das ist eben das Problem immer auch zwischen der Politik und der Bevölkerung, in Anführungsstrichen, weißt du, dass eben das sonst clashed. Das kommt ja nicht von ungefähr, dass man sagt, da die da oben, die verstehen uns nicht. Also das heißt, das ist ein Mittel, Social Media auch, nahbarer zu werden. Einfacher geht's nicht, weil Du hast keinen Gatekeeper, du hast nicht die Zeitung, die über dich schreibt, sondern du kannst eigentlich direkt kommunizieren und kannst entscheiden, welche Kanäle du halt irgendwie bespielst und du kannst direkt mit der Community in Austausch gehen, auch wenn natürlich sich dann... Da wird positiv wie auch negativ, Politik ist politisch. Also natürlich kommen da immer noch die Gleichen und die schimpfen und so weiter. Aber das ist deine Möglichkeit, mit der Zielgruppe auch zu sprechen. Vielleicht machen wir mal zum Abschluss noch, du hast mir ja schon eine Frage gestellt, aber gibt es darüber hinaus noch irgendeine Frage, die dich brennend interessiert?
Berthe Jentzsch: Ja, die Frage wäre auch, was aus Eurer Sicht jetzt auch in der politischen Kommunikation so wichtige Tools oder Kanäle sind? Also das hatten wir auch gerade besprochen. Was ist so mit beispielsweise TikTok? Also seht ihr, dass da das für Politiker was sein kann? Oder was glaubt ihr, was sind einfach so Tools, die kommen werden in Zukunft? Was wird da richtig sein? Und auch so generell Tipps. Also wenn du sagst, du hattest drei Tipps an politische Kommunikation, was würdest du uns mitgeben?
Nora Feist: Wow. Also ich würde erstmal grundsätzlich lieber weniger Kanäle und dafür die gut bespielen. Ja, also als wenn auf tausend Hochzeiten rumtanzen und alles ist irgendwie nicht richtig.
Berthe Jentzsch: Zählt da, ich mache auf allen Kanälen das Gleiche? Also irgendwie über...
Nora Feist: Nein, das sowieso nicht.
Berthe Jentzsch: Also, ich hab Facebook und poste das, oder ich habe Twitter und poste das oder X und poste das bei Blue Sky, Mastodon, zählt das?
Nora Feist: Nee, also jeder Kanal hat seine eigenen Algorithmen. Und dann tatsächlich aber erst mal wirklich von der Zielgruppe aus zu gehen. Also die ist natürlich breit gefächert, aber wirklich zu überlegen, okay, wo erreich ich meine Zielgruppe jetzt schon ganz gut, aber wo erreich ich sie bis jetzt noch nicht und wo muss ich also hingehen, damit ich sie erreiche? Und dann reicht es eben nicht aus, vor dem Supermarkt mit meinem Flyer zu stehen, sondern dann muss ich eben quasi da auch irgendwie Kanäle wählen, die vielleicht erstmal für mich unbequem sind. Wo ich erstmal denke, okay, weiß ich nicht, aber nur so kann ich auch gerade eine junge Wählerschaft auch begeistern. Aber wie gesagt, wenn, dann richtig machen. Und dann, wie gesagt, für jeden Kanal eigene Sachen machen. Das Thema kann das gleiche sein, wenn es jetzt ein wichtiges Thema gibt, aber trotzdem kannst du nicht Copy-Paste machen. Funktioniert nicht.
Berthe Jentzsch: Also bei Instagram sehe ich das, klar. Instagram und X und Facebook sehe ich das. Aber wenn ich jetzt sage, so die ganzen neuen Twitter-X-Nachfolgerkanäle, da würde ich sagen, das ist doch an sich auch dasselbe Format. Also natürlich, wir machen was ganz anderes bei Instagram als wir es bei anderen Kanälen machen. Aber ich glaube, mehr ist auch nicht machbar.
Nora Feist: Ja, aber genau, das ist eben die Frage. Wie viel Kapazität hast du? Das meine ich halt, aber dann konzentrier dich lieber, weißt du, und wenn du sagen würdest, Telegram-Gruppe ist mein Ding, da erreiche ich meine Wähler, dann lieber weniger und dafür richtig, als zu viel. Und dann ist es halbherzig und dann brauchst du da gar nicht erst anzufangen. Das kann ich nur raten das ist mein Rat. Und ansonsten, ich bin jetzt gespannt, ich versuche eigentlich TikTok von wegzuhalten, damit ich da nicht so reingesaugt werde. Ich bin dann eher bei Insta und Reels irgendwie unterwegs. Aber ich bin gespannt, was ihr jetzt macht. Ich frage mal Julia, weil die ist totaler TikTok-Junkie, ob sie mal was entdeckt. Die weiß immer alles und dann schickt sie mir irgendwelche Sachen und ich denke so, okay, kannst du mir das irgendwie anders schicken. Ich benutze TikTok eigentlich gar nicht mehr. Ja, ich bin auch.
Berthe Jentzsch: Ja, ich auch. Also wir müssen dafür wahrscheinlich auch eine neue Person einstellen, weil das einfach so viel Arbeit ist.
Nora Feist: Also ein kurzer Suchaufruf, wenn ihr interessiert dran seid. Dann macht das.
Berthe Jentzsch: Es kann sein, dass wir da zukünftig jemanden suchen werden.
Nora Feist: Mach uns das in die Alumni-Gruppe bei LinkedIn rein. Und dann sind wir mal gespannt. Und dann gucken wir, vielleicht tanzt ja doch jemand. Es wäre so cool, wenn es so alle zusammen, weißt du, so einen Tanz machen.
Berthe Jentzsch: Also ich würde auch tanzen, wenn mir jemand Cooles finden, der sich darauf bewirbt, dann, tanze ich auch mal.
Nora Feist: Ja, es gibt auch so ganz gelernte Formate, in welche Richtung du gehst und so. Es gibt ja so Sachen, die sind ja gar nicht so cringe. Aber dann ist es vielleicht auch wieder humorvoll, wenn du es nicht von der Person erwartest. Du weißt, unexpected. Ganz wichtig. Also es war mir ein großes Fest. Ich beobachte euch, nicht nur auf TikTok.
Berthe Jentzsch: Sehr gut. Abonniert auch die sämtlichen Kanäle. Das ist gar nicht meine Arbeit, lustigerweise.
Nora Feist: Ich muss auch sagen, seit Twitter X wurde, habe ich mich davon auch verabschiedet. Weil sonst war ich nämlich da auch ganz nicht auf Sachen gefolgt.
Berthe Jentzsch: Das war lange für mich ein sehr wichtiger Teil. Also ich habe sehr viel Zeit investiert.
Nora Feist: Ich fand Twitter auch gut, aber ich wollte da nicht mehr.
Berthe Jentzsch: Ja, es hat sich sehr zum Schlechten verändert, muss ich auch sagen.
Nora Feist: Also genau, ihr findet mich und Mashup findet man eigentlich auf LinkedIn und auf Instagram. Und das ist schon viel Arbeit. Gut, Berthe. Es hat mich sehr, sehr gefreut. Politik ist...
Berthe Jentzsch: Kann auch Spaß machen. Man glaubt es nicht, aber...
Nora Feist: Ja, sollte auch, oder? Ich glaube, das ist ein Hardcore-Job, grade für Politikerinnen, aber...
Berthe Jentzsch: Ich bin froh, dass es Leute gibt, die das machen. So viel über PolitikerInnen immer wieder genörgelt wird. Ich bin froh, dass es noch Leute gibt, die sich diesen Stress und diese viel Arbeit und diese Nachtstunden und diese Anfeindungen antun und die ja auch die Demokratie dann am Ende auch mittragen und sich streiten. Also je länger ich daran denke, desto länger gehe ich Hut ab. Ich würde es nicht machen. Das ist doch ein schönes Schlusswort. Für die Demokratie muss es halt, genau, also es ist wichtig.
Berthe Jentzsch: Genau. Geht wählen.
Nora Feist: Genau, das wollte ich mich auch gerade sagen. Geht wählen am 9. Juni Europawahl. Geht. Ja, geht wählen. Also Berthe, dann habt einen schönen Nachmittag. Bis dann.
Berthe Jentzsch: Du auch. Tschüss.
Nora Feist: Wenn euch die neue Folge der Alumni Stories gefallen hat, gebt uns gerne eine positive Bewertung oder abonniert uns bei Spotify, YouTube und Co. Und hört oder schaut euch in der Zwischenzeit auch gern unsere anderen Alumni-Stories mit ehemaligen Mashup-Mitarbeitenden an, um mehr über uns und die Arbeit in der Kommunikationsbranche zu erfahren.
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